Karwoche 2020. Das Bistum Chur befindet sich nach wie vor in grosser Unruhe. Viel Unsicherheit herrscht allüberall. Was wird sein? Wer wird kommen? Werden jene oder die andern es schaffen? Da wird ein Mensch, der Jahrzehnte lang seinen Einsatz in dieser Kirche engagiert mit Glauben, Herz und Verstand und im Sinne des Evangeliums treu in der Nachfolge Jesu Christi erbracht hat unerwartet seines Amtes enthoben, zum grossen Unverständnis und Ärger Vieler. Dadurch wurden Ängste genährt, es könnte sich eine künftige Bistumsleitung einstellen, die sich am Verhalten und Beispiel ihrer Vorgänger orientieren werde, deren Nähe zum Volk vermisst wurde, jedoch nicht das Festigen einer unantastbaren Hierarchieordnung. Sowas lässt Menschen auf die Barrikade steigen. Menschen, die sich in der Kirche nicht mehr willkommen fühlen und die damit zurechtkommen müssen, dass in dieser Kirche Gesetzestreue zum Buchstaben mehr gewichtet wird als das Gebot der Nächstenliebe. Die Rede ist von einem dreissig Jahre währenden Winter im Bistum Chur. Von vergehenden Blumen als Symbol einer sterbenden Art von Kirche-Sein und von spriessenden grünen Zweigen als Hoffnungsbild für neu Entstehendes. Besorgte Eltern melden sich zu Wort. Priester fordern Gehör vom derzeitigen Apostolischen Administrator Peter Bürcher bis hin zum Papst in Rom mit verzweifelten Sätzen wie: «Ich stehe hier vor der Kamera – und ich kann nicht anders.» Pfarreileitungen, Menschen im Kloster, in der Katechese, im Lehramt wirkende Professoren melden sich zu Wort. Frauen und Männer, allesamt engagiert in Amt und Bildung innerhalb der Kirche, stehen mit ihrem Namen und ihrem Gesicht hin und setzen sich so einer nicht zu unterschätzenden Verletzlichkeit aus, betrachtet man den 18. März als schmerzliches Beispiel. Wege werden vorgeschlagen, Visionen skizziert. Sie erzählen, wie aus dieser unsäglichen Sackgasse herausgefunden werden könnte. Wie nötig ein Aufbrechen verkrusteter Haltungen und eine Hinwendung, mehr noch, eine Umkehr zum Erkennen dessen nötig wäre, wo denn heute so viele Schwestern und Brüder sind, die nicht mehr in der Kirche sind, nicht mehr da sein können, weil sie nicht willkommen sind, weil man sie lieber nicht in der Kirche haben möchte. Im Hause Gottes, an seinem Tisch. Intensiv und mit Nachdruck wird der heutigen Kirchenleitung nahegelegt, angefleht und versucht Wege aufzuzeigen, wie denn endlich von dieser in der Kirche oft so erfahrenen Kälte und Härte Abschied genommen werden könnte; wie im versöhnenden Gespräch oder durch eigens eingesetzte Gruppen Lösungen im Miteinander erörtert werden könnten, dieser Ohnmacht ein Ende zu bereiten, auf dass ein Neubeginn möglich würde. Ostern geht Karfreitag voraus. Dies wissen auch all jene, die ihre Stimme nicht erheben und schweigen, weil sie nicht ebenfalls mundtot gemacht werden wollen und ihre letzte Wirkmöglichkeit dadurch in einer für sie bei aller Freude im Glauben manchmal schwer zu lebenden Kirche verlieren würden.
Guido I. Tomaschett Diakon
Comments